Am Fraunhofer IMS forschen Burkhard Heidemann, Leiter Embedded Software and AI, und Christian Wiede, Leiter Embedded KI, mit ihrem Team an intelligenten KI-Lösungen für verschiedenste Bereiche des Lebens. Von der Industrie bis hin zur Medizin, fördern die Anwendungen aus den Bereichen »Maschinelles Lernen« und »Computer Vision« Innovation, Nachhaltigkeit und Sicherheit in unserer Gesellschaft. »Wir schaffen benutzerfreundliche und ressourcenschonende KI-Algorithmen für kleine Systeme mit maximaler Datensicherheit, die auf jeder Hardware laufen. Durch unser umfangreiches Know-how in den Bereichen Sensorik und künstliche neuronale Netze, können wir den Leistungsaufwand großflächig reduzieren.«, so Burkhard Heidemann.
»Dafür haben wir AIfES® (AI for Embedded Systems) entwickelt, ein Software-Framework, das open source ist und auf jeder Hardware funktioniert. So stützt unser hauseigenes Framework sehr viele Anwendungen aus unserer Forschung, die in der Medizin, Industrie oder sogar im Weltraum eingesetzt werden können«, ergänzt Christian Wiede. Welche das unter anderem sind, stellen wir Ihnen nachfolgend vor.
Morgens auf der Waage nicht nur das Gewicht ablesen, sondern auch den Blutdruck oder Vorhofflimmern mit miniaturisierten Geräten, wie Smartwatches und Patches, erkennen
Zum Selbstmonitoring von Bluthochdruckpatienten sind zwei Gesundheitsparameter relevant: der Blutdruck und das Körpergewicht. Der Blutdruck muss aufwendig mittels Manschetten bestimmt werden, während das Körpergewicht sich sehr leicht über eine einfache Personenwaage erfassen lässt. »Wenn es gelingt, die Blutdruckmessung in die Personenwaage zu integrieren, profitieren Patientinnen und Patienten, genauso wie herstellende Unternehmen durch eine leichte und komfortablere Nutzung mit geringerem Gesamtpreis«, erklärt Burkhard Heidemann. Mittels Sensoren sollen über die Fußsohle im Projekt LIBRA[1] dafür die Signale abgeleitet, aus dem Verlauf morphologische Merkmale extrahiert und mithilfe von neuronalen Netzen der Blutdruck bestimmt werden. AIfES® als integrierte KI wird dabei energieeffizient auf einem Embedded System implementiert. Diese erreicht man durch eine konstante Erweiterung von Wissen und den Austausch der Daten verschiedener trainierter Waagen untereinander. Außerdem soll nur ein kleiner Teil der Daten in der Cloud berechnet werden, sodass der Datenverkehr sinkt.
Frühzeitige Intervention durch eine KI-basierte Diagnostik: Eine miniaturisiertes, auf KI basiertes Elektrokardiogramm-Patch (EKG) für eine effizientere, digitale Gesundheitsversorgung klingt erstmal hoch gegriffen, könnte aber mit ARTEMIS[2] bald schon im Alltag verankert sein. Vorhofflimmern gehört mit fast zwei Millionen Betroffenen zu den Volkskrankheiten in Deutschland, die bei nicht frühzeitiger Behandlung schwere Folgen, wie einen Schlaganfall mit sich bringen können. »Um dem präventiv entgegenzuwirken, entwickeln wir zusammen mit unseren Partnern ARTEMIS, eine hardwarebasierte KI-Integration als Teil einer integrierten Schaltung, welche Vorhofflimmern in EKG-Daten in Echtzeit dezentral am Patienten erfassen kann«, so Heidemann. Das System weist dabei eine enorm ressourcenschonende Leistungsaufnahme auf, um es in portablen und stark miniaturisierten medizintechnischen Geräten, wie Wearables oder Patches einsetzen zu können. »Durch die in Hard- und Software ermöglichte Voranalyse mittels KI sollen kritische Veränderungen der EKG-Daten direkt, schnell und sicher an das medizinische Personal im Telemedizinzentrum (TMZ) vermittelt werden, sodass es frühzeitig auf eine potenziell lebensbedrohliche Situation reagieren kann«, erläutert Wiede. Doch das Schützen der menschlichen Unversehrtheit beginnt nicht erst in der Medizin, wie die nachfolgenden Anwendungen zeigen werden. Solche Patches können übrigens auch in der Raumfahrt eingesetzt werden, um Astronautinnen und Astronauten zu unterstützen und ihre gesundheitliche Belastung zu monitoren oder eben bei der Überwachung unserer Lebensmittel.
Zustandsüberwachung mithilfe von KI für elektrische Stromnetze sowie die Lebensmittel- und Produktionsindustrie: Energie sparen, kontaminierte Lebensmittel erkennen und Prüfmaschinen sinnvoll einsetzen
Bereits auf der Arbeit und in der Nahrungsmittelproduktion kann unser Leben mit KI sicherer, gesünder und nachhaltiger gestaltet werden. Mit Fit4eChange[3] wird so ein leicht nachrüstbarer Leistungssensor geschaffen, der ohne Unterbrechung der Stromleitung installiert werden kann und wartungsfrei durch »Energy Harvesting« funktioniert. Der Sensor erfasst zeitaufgelöste Daten für Strom und Spannung, bietet Rechenkapazitäten auf dem drahtlosen Gerät zur Verarbeitung der Rohdaten, während er gleichzeitig Daten an die Leitstelle ausliefert, die entsprechend reagiert. So können die Erzeugung und Einspeisung erneuerbarer Energien gegenüber dem Stromverbrauch dargestellt werden.
Im Projekt ISEP[4] wird ein innovatives, kompaktes System zur schallbasierten Prozessüberwachung entwickelt. Abfüllanlagen, Fördereinrichtungen und Dosiersysteme aus der Lebensmittelindustrie werden beispielhaft für die zu überwachenden Systeme benutzt, bei denen die Verunreinigung von Lebensmitteln festgestellt werden kann. Es wird dazu ein Schallsensor entwickelt, der flexibel und autonom in bestehende Produktionsprozesse eingebunden werden kann. Die Lösung, die entwickelt wird, basiert auf Machine Learning Methoden, die eine Merkmalsextraktion vornimmt, welche dann von einem zu entwickelnden künstlichen neuronalen Netz (KNN) bewertet wird.
Eine universelle Sensorplattform für die Integration von nicht-invasiven Sensoren wird im Projekt KI-Sense[5] entwickelt. Mithilfe dieser Plattform sollen bestehende, nicht vernetzbare Produktions- und Prüfprozesse an die Industrie 4.0 angebunden werden. Dezentralisierte, geräteinterne Datenverarbeitung und Training von KI-Modellen im Sensorsystem lassen eine Anpassung der Überwachungstechniken an Maschinenzustände und Prozesse in Echtzeit zu.
Christian Wiede sieht eine breit gefächerte Zukunft für die Unterstützung von AI Software Frameworks bei den unterschiedlichsten Vorgängen: »Die genannten Projekte sind nur einige unserer Lösungen, die wir mithilfe unseres AI Software Frameworks AIfES® konfigurieren. Wir beschäftigen uns darüber hinaus noch mit der Extraktion von Vitalparametern über kontaktlose optische Sensoren. Diese sind in der Medizin einsetzbar, können aber auch zukünftig zum Beispiel beim Autofahren eine Rolle spielen.« Auch Burkhard Heidemann erkennt die Potenziale der Weiterentwicklung im Bereich KI: »Durch die Vielseitigkeit unserer Anwendungen, können ganz neue Produkte und Geschäftsmodelle mithilfe von KI geschaffen werden. Wir sehen tagtäglich, dass wir als wissenschaftliche Mitarbeitende zusammen mit den Studierenden, KMUs, Start-ups oder anderen Fraunhofer-Instituten neue Möglichkeiten entwickeln und in allen gesellschaftlich relevanten Feldern Chancen erkennen.«
[1] Gefördert im Rahmen der Internen Programme der Fraunhofer-Gesellschaft, Fördernummer SME 610 550.
[2] Das Projekt wird unter dem Förderkennzeichen 13GW0579D vom Bundesministerium für Bildung und Forschung gefördert.
[3] Das Projekt wird unter dem Förderkennzeichen EFO0021A vom Ministerium für Wirtschaft, Industrie, Klimaschutz und Energie des Landes Nordrhein-Westfalen gefördert.
[4] Dieses Projekt wird unter dem Förderkennzeichen 16KN085620 durch das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) aufgrund eines Beschlusses des Deutschen Bundestages gefördert.
[5] Dieses Projekt wird unter dem Förderkennzeichen 16KN081725 vom Zentralen Innovationsprogramm Mittelstand (ZIM) des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) aufgrund eines Beschlusses des Deutschen Bundestages gefördert.