Die digitale Vernetzung von Maschinen und Produkten hält auch in der Biotechnologie Einzug. Das ist eine besondere Herausforderung, denn hier sind keine fixen Bauteilen, sondern lebende Objekte Bestandteil des Prozesses, die sich verändern und vermehren. Eine vernetzte Steuerung muss damit zurechtkommen und den Prozess in Echtzeit anpassen können.
Das miniaturisierte Multisensor-System des Fraunhofer-Instituts für Mikroelektronische Schaltungen und Systeme (IMS) wurde zur kontinuierlichen, in-situ Überwachung von Bioprozessen entwickelt. Das miniaturisierte Multisensor-System kombiniert Sensoren für Glukose, Laktat, Zelldichte und pH-Wert auf einer Chipfläche von nur 7 x 7 mm². Gegenüber den bisher in der Biotechnologie üblichen Einzelsensoren ist der Sensorchip leichter zu sterilisieren und hat einen deutlich geringeren Platzbedarf. Dadurch kann er direkt in einen Bioreaktor eingesetzt werden. Somit entfällt die Notwendigkeit einer Probennahme und der Sensorchip ist einfacher und kostengünstiger zu verwenden. Die Sensoren können auf CMOS-Chips hergestellt und auf diese Weise mit Schaltungen zur Auslesung und Übertragung der Messwerte kombiniert werden.
Durch die Echtzeitmessung relevanter Prozessparameter hat das entwickelte Multisensor-System das Potential, eine große Bandbreite biotechnologischer Produkte effizienter herzustellen, die Produktsicherheit zu erhöhen und die Herstellung und das Testen von beispielsweise neuen Medikamenten zu unterstützen. Die großen Messbereiche für Glukose (1 mM bis 600 mM) und Laktat (1 mM bis 900 mM), die ohne Verdünnung oder sonstige Vorbehandlung der Proben erzielt werden, übertreffen hierbei deutlich andere am Markt erhältliche Lösungen. Anwendungen des Multisensor-Systems reichen von Fermentationsprozessen zur Herstellung von Alkohol über die Produktion von Antikörpern, Insulin oder Impfstoffen bis hin zu Zellkulturen zur Züchtung von Gewebe. Gerade komplexe Prozesse, in denen viele Parameter optimal eingestellt und überwacht werden müssen, können von der Entwicklung des Fraunhofer IMS profitieren.
Zur Auslesung und Übertragung der Messwerte werden am Duisburger Institut für integrierte Schaltungen entwickelt. So steht für die Auslesung der Glukose- und Laktatsensoren ein Potentiostat-Chip zur Verfügung, der die Messwerte nicht nur erfasst, sondern über einen Transponder-Chip auch per Funk an eine Empfangsstelle senden kann. Der kabellose Betrieb vereinfacht den Einsatz in biotechnologischen Anlagen oder Systemen und bietet gleichzeitig interessante Möglichkeiten für andere Branchen wie Medizintechnik und Sportmedizin, in denen es auf mobile, flexible Sensorik ankommt.
Das Multisensor-System kann an Kundenanforderungen angepasst werden. Zum Beispiel können weitere Sensoren integriert und die Ausleseschaltungen separat angeboten oder weiterentwickelt werden. Daher richtet sich das Angebot neben Herstellern in der Biomedizin oder der Pharmaindustrie auch an Sensorhersteller, Anwender von Bioreaktoren und die Lebensmittel- sowie Chemiebranche.